Freitag, 16. August 2019

Wunderwörterreise

Ich bin Gastkünstlerin in Wuppertal in der GGS Nützenberg auf Einladung von Andrea Karimé, Schriftstellerin, Geschichtenerzählerin, Poesiepädagogin, bei ihrer Autorenpatenschaft im Rahmen von "Kultur macht stark - Bündnisse für Bildung" mit dem Bundesverband der Friedrich-Bödecker-Kreise.

 Liebe Kinder, liebe Andrea,

morgens sitze ich, wenn es irgendwie geht, an meinem kleinen Teich im Garten und schaue zu, wie eine Seerose, die schon ihren Kopf über die Wasseroberfläche gestreckt hat, sich langsam öffnet und mit zarten rosa Blütenblättern in den Himmel schaut. Dort ziehen die Wolken, fliegen die Vögel, spielen Farben und geht der Wind. Mich hat es schon immer fasziniert, dass die Seerose am Grunde des Wassers im Schlamm verwurzelt ist und von dort ihre Reise an die Oberfläche beginnt.
Wenn ich sie betrachte, habe ich das Gefühl, diese Reise mitzuerleben. Dass sie mir etwas davon erzählt, zuflüstert, Bilder mitbringt und Geschichten. Worte, Fragmente, Geheimnisse. Und manchmal ist es mir, als ob sie sogar leise singt.
In den letzten Tagen konnte ich der Seerose nicht zuschauen, denn ich habe eine andere Reise gemacht. Frühmorgens mit Bus und Bahn ging es nach Wuppertal auf den Nützenberg (wo ist denn eigentlich die Nütze und was ist das überhaupt?), und diese Reise dauerte ganz schön lang von einem Ende des Bergischen Landes zum anderen.
Angekommen in den großzügigen und gemütlichen Räumen der Schule ging sie aber erst los:
die Wunderwörterreise mit Euch und der Wunderwörterreisebegleiterin Andrea Karimé, die mich eingeladen hatte, ein Künstlerbuch mit euch und euren Geschichten zu gestalten. Natürlich nicht nur eins, sondern ein einzigeigenes für jede*n von euch.
Ich sah eure Geschichten als Schrift, in bunten Farben, zart und kräftig. Ich sah kleine Bilder aus Stoff, Filz und geknülltem Papier, die man auch ertasten kann. Ich hörte: ich brauche noch eine Brille für eine Buchseite, das war Johanna, und die Brille gehörte zu Lunette. Mit Paula machte ich Windfarbe für einen Stempel zum Wort “Vent”, was auf französisch “Wind” heißt. Dann versuchte ich “Lolli” auf chinesisch auszusprechen, denn Huyshan zeigte mir ein Bild von einem Lolli und die chinesischen Schriftzeichen dazu. Wenn ich oder eine andere Nichtchinesin aber so ein Wort aussprechen, kann es aufeinmal etwas ganz anderes heißen, zum Beispiel: “Erdmännchen” oder “Nichts”. Und da war eine Mauer aus Nichts, die sich auflöste und zu Flöhen wurde bei Huyshan. Ich lernte Enas “Zorndorn” kennen, Latifas fließende, bunte Schriftbilder, Ayas Geschicklichkeit beim Buchbinden und Bennos verrücktes Kuscheltier, das Jasso Fiele Kromberger trinkt oder mit einem Motorrad in Höchstgeschwindigkeit herumbraust. Bennos Buch musste als erstes gebunden werden, denn er schrieb so schnell und viel, dass das Buch sonst in Höchstgeschwindigkeit viel zu dick zum Zusammennähen geworden wäre. So lief Benno dann die nächsten Tage mit seinem fertigen Buch herum, zeigte es allen Seite für Seite und las, so es nur ging, seine Geschichten vor.
Über das Experimentieren, Zeichnen, Malen und Gestalten mit Druckwerkstatt, Collage und Frottage, das Lachen, Erzählen und das Nähen der Bücher lernte ich euch also kennen. Und das war eben so wie mit der Seerose, die ganz tief aus dem dunklen Wasser kommt und sich an der Luft in den wunderschönsten Farben öffnet.

Vielen Dank für diese Reise, Eure Eva Wal




Druck-, Frottage- und Buchbindewerkstatt mit Buchkünstler*innen



Andrea Karimé schreibt die Geschichten und Gedichte der Kinder auf,
die wie ein stetiger Fluss aus ihnen herauszusprudeln scheinen.