Welten bauen


Ein Ufo Namens Kunst

Ich wurde gebeten, einen kurzen Artikel für den infodienst, Das Magazin für Kulturelle Bildung des bjke (Bundesverband der Jugendkunstschulen und Kulturpädagogischen Einrichtungen e.V.) zu verfassen. Thema: Wie wirkt kulturelle Bildung?
Nach über zehn Jahren Projekterfahrung auf diesem Feld fiel es mir äußerst schwer, meine Erfahrungen und Erkenntnisse in kurzer Form auf den Punkt zu bringen.
Nach unzähligen Projekten in Museen und anderen Kunsteinrichtungen, Schulen, Kindergärten, Gefängnissen; als Ideengeberin, Projektleiterin, Organisatorin, Pädagogin, Künstlerin und Mädchen für alles versuchte ich, den kleinsten gemeinsamen Nenner dieser Arbeit zu beschreiben: Das offene Angebot auf dem Spielplatz in der Bonner Altstadt.

Fotos (c) Eva Wal, VG Bild
















Ein Ufo namens Kunst


Kinderkunstkinder 2004: Leben in der Bonner Altstadt
 Leuchtende Kinderaugen vor einer bunt bemalten Wand, Stapel von Kinderzeichnungen in einem dicken Buch, Luftballons am selbstgebauten Tipi und ein „internationales Buffet“, für das alle Kinder etwas mitgebracht haben: Heute, beim Abschlussfest, werden viele Fotos gemacht. Ein Reporter von der Zeitung fragt ein paar Kinder, was sie die letzten drei Wochen hier beim Sommerferienprojekt auf dem Spielplatz gemacht haben, und ob es ihnen gefallen hat. „Wir haben gebastelt und gemalt“, sagt Safye und zeigt auf die bemalte Wand. „Da, der Löwe ist von mir!“. Fatma sagt: „Mir hat besonders gefallen, dass wir machen durften, was wir wollen, und dass die Erwachsenen soviel für uns getan haben“.

Zum vierten Mal haben wir nun das offene Angebot auf einem Spielplatz in der Bonner Altstadt durchgeführt. Wie ein Ufo aus dem strahlend blauen Himmel sind wir auf dem Spielplatz gelandet, haben Bierbänke und Tische aufgestellt, Papier, Scheren, Kleber, Farben und Material mitgebracht. Dann sind wir da, jeden Tag. Und jeden Sommer wird es besser. Die Kinder stürmen uns entgegen, kennen uns schon und helfen beim Aufbauen. Langsam haben auch die Mütter und einige Väter, die sich auf dem Spielplatz aufhalten, Vertrauen gefasst und kommen zu uns. Sie sprechen kaum deutsch, aber wir essen zusammen Melone, immer nach dem Abbauen am frühen Abend.

„Wann seid ihr eigentlich mal wieder auf dem Spielplatz?“, fragt Dennis, der Junge der Schneiderin aus Ecuador, an deren Laden ich jeden Tag vorbeigehe. „Irgendwie vermisse ich das Ding“. Das letzte Spielplatzprojekt ist jetzt aber schon vier Jahre her. Und Dennis ist nicht das einzige Kind, das fragt. Daniel, jüngster Sohn von zehn Kindern einer alleinerziehenden Mutter, die einen Laden betreibt, kommt seit sechs Jahren zu jedem Projekt, das ich für Kinder mache. Manchmal gehen wir auch Schlittschuh laufen, schwimmen oder ins Theater. Daniel ist jetzt zwölf, also kommt er die Hälfte seines Lebens „zu Eva“, wie er sagt. „Wir könnten doch mal wieder im Sommer auf den Spielplatz gehen, das war super“, sagt Daniel. „Ich habe viele Freunde gefunden, und es war und immer was los“.

Was soll ich Dennis und Daniel sagen? Es war jedes Mal ein organisatorischer und teilweise aufreibender Kraftakt, und nun ist das Ufo weitergezogen…
Erfolg zählt. Erfolg muss messbar sein. Am einfachsten ist es, wenn „das Kind“ dabei eine Nummer auf der Hüpfburg ist. Doch Erfolg soll nachhaltig sein. Und Nachhaltigkeit kann nicht gezählt und schwer gemessen werden, wenn es nicht um Leistung geht. Hatten die Kinder einfach nur Spaß? Ist das nicht etwas wenig? Na ja, das mit der Integration hat wohl ganz gut geklappt.
Kunst ist nach Joseph Beuys eine Kraft, die transformierend ins Herz der Gesellschaft wirkt. Diese Kraft ist erfahrbar, nicht messbar. Sie ist ganzheitlich.
„Ganzheitlich“ erscheint fast wie ein Fremdwort, irgendwie esoterisch. Es gehört nicht zur allgemeinen Bildung und Erziehung. Kinder werden durch die Schule in eine Welt geschleust, in der sie nach Leistung bewertet werden. Dazu bilden sie ihre Fähigkeiten aus und lernen das Handwerkzeug, mit dem sie in einer leistungsorientierten Gesellschaft bestehen können. Die Risiken und Nebenwirkung sind der Verlust der Ganzheitlichkeit.
Ganzheitlichkeit bedeutet, dass Kinder aus den individuellen und gemeinschaftlichen Erfahrungen heraus, die auf ihre gesamte Persönlichkeit wirken, ihr Leben gestalten. So können sie zu selbstbestimmten, sozialen, verantwortungsbewussten Menschen wachsen anstatt geformt zu werden.
In ihrer natürlichen Ganzheitlichkeit sind Kinder noch wie Aliens, Fremdkörper in der Gesellschaft. Als Künstlerin habe ich mich zum Alien bekannt, denn ich habe meine ureigenen Kräfte wieder entdeckt und aktiviert, ohne dabei Bildung und Erziehung zu vergessen. Ich versuche, beides zu integrieren. Eine Lebensaufgabe. Dabei ist es mir das größte Vergnügen und eine tiefe Freude, mit meinem Ufo namens Kunst auf einem Spielplatz zum Sommerprojekt zu landen. Ich bin froh um jede Landeerlaubnis.
Persönliche Initiative und Engagement, künstlerische (kreative) Energie, institutionelle Verankerung und politischer Wille zusammen sichern einen Ufo-Landeplatz auf Dauer und machen das Ufo zu einem vertrauten Ort, an dem Kunst als ganzheitliche Kraft wirken kann. Kunst und kulturelle Bildung sind nicht die Tropfen auf den heißen Stein, sondern die steten Tropfen, die den Stein höhlen.

Eva Wal
Das offene Angebot auf dem Spielplatz Heerstraße in der Bonner Altstadt fand in den Jahren 2001, 03, 04 und 05 in Zusammenarbeit mit folgenden Kooperationspartnern statt:
Initiative Steh’ auf, gemeinsam gegen Fremdenfeindlichkeit e.V., Frauen Museum e.V., BIM e.V. (Bonner Institut für Migrationsforschung), Jugendkunstschule im artefact e.V., Praktikantinnen der Alanus Kunsthochschule in Alfter/ Bonn.
Gefördert wurden die Ferienprojekte vom Fonds Soziokultur, dem Jugendamt und dem Kulturamt der Bundesstadt Bonn und der Aktion Mensch.

Von 2009 bis 2011 landet das Ufo in den Sommerferien auf einem Spielplatz in Bonn Auerberg in Kooperation mit dem evangelischen Gemeindeforum Auerberg. Das offene Angebot ist hier Teil des Projekts „clever und mittendrin“ des BIM.


Das Ufo namens Kunst landete auf dem Spielplatz Helsinkistraße in Auerberg, neben dem evangelischen Gemeindeforum. Es wurde dort am Freitag, 5. August 2011 von Kindern aus verschiedensten Welten, von unterschiedlichsten Planeten und Kontinenten festlich begrüßt, eingeweiht und wieder verabschiedet.
Verantwortlich für das Ufo-Mannöver zeichneten sich die Organisation BIM e.V. (Bonner Institut für Migrationsforschung) und die Künstlerin Eva Wal.

Die Ufo-Landung ist ein Plädoyer für Kunst im Leben und Leben in der Kunst; die nach Joseph Beuys transformierend ins Herz der Gesellschaft wirkt.
Ufo ahoi!

Ufo in Auerberg
2011
Fotos (c) Eva Wal, VG Bild







Foto: Diana









Imke und Diana
Foto: Diana







 
Abheben! 



Die Aliens kommen!




Aliens!




 
Foto: Justice 
Aliens?



Foto: Imke
Klaus-Peter, Projektleiter BIM e.V.
Fotos (c) Eva Wal, VG Bild

Weltenzelt in Auerberg
2010

Fotps (c) Eva Wal, VG Bild 










Danke fürs Mitmachen! 





Weltenball in Auerberg
2009
Der Weltenball 2009
Fotos (c) Eva Wal, VG Bild



Weltenball im evangelischen Gemeindeforum Auerberg, 2009



Der erste Weltenball


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